Jun 262020
 

Erforderliches Ziel nicht erreicht – 
aber politisch erfolgreich.

Mit 60.443 anerkannten Unterschriften wurden die nötigen 80.000 Stimmen leider nicht erreicht. Aber das Volksbegehren war trotzdem weitgehend politisch erfolgreich!
Im Bereich des Wasserschutzes konnten durch die Übernahme der Formulierungen aus dem Teil 1 des Volksbegehrens mit der Gesetzesänderung von § 1 und 40 im Wassermodernisierungsgesetz durch den schleswig-holsteinischen Landtag am 15.11.2019 weitgehend die Forderungen der Volks­initiative zum Schutz des Wasser erreicht werden:

– Besserer Schutz vor Verpressung des giftigen Flowbacks bei Ölbohrungen
– Sofortiger Bohrstopp bei unerwartetem Wasserfund
– Haftung von Ölkonzernen für Schäden
– Auch wenn ein Fracking-Verbot vom Landesverfassungsgericht politisch ausgeschlossen wurde, besteht damit die weitgehende Möglichkeit Fracking in Schleswig-Holstein zu verhindern.
– Darüberhinaus wurde der Wasserschutz ausgeweitet auf die Küstengewässer und alle Teile des Grundwassers.

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„Auch wenn wir leider kein Recht zur Veröffentlichung riskanter Bohrpläne, gelagerter Gefahrenstoffe, Korruptionsfälle usw. haben durchsetzen können, haben wir einen sehr viel besseren Schutz unseres Wassers erreicht. Mein Respekt gilt der unermündlichen ehrenamtlichen Arbeit vieler Menschen und Organisationen“, erklärt die Vertrauensperson Patrick Breyer (Piratenpartei). „Zu den Ursachen der nun verfehlten Unterschriftenhürde zählen die verschwindend geringe Medienberichterstattung über diese Volksinitiative und die fehlende Unterstützungsmöglichkeit von Volksinitiativen über das Internet, die der Landtag zu verantworten hat. Angesichts des Zulaufs von Hetzparteien, die sich als Sprecher der Bürger ausgeben, muss dieser Mangel an direkter Demokratie und Mitspracherechte dringend angegangen werden.“
„Als wir im April 2019 das Volksbegehren beantragten, war noch kein einziger der von uns vorgeschlagenen Gesetzesänderungen verabschiedet. Die Regierungsmehrheit hatte die zulässigen Teile der Volksinitiative wiederholt von der Tagesordnung des Landtags abgesetzt und sich geweigert, unsere Gesetzesvorlagen im Parlament zu beraten. Die massiven Behinderungen des Volksbegehrens durch das Innenministerium, die Koalitionsparteien und einzelne Abgeordnete haben darüber hinaus gezeigt, wie massiv die direkte Demokratie durch die jetzige Regierung behindert wird.“
Das Ergebnis des Volksbegehrens zum Schutz des Wassers wurde am 26.6.2020 vom Landesabstimmungsausschuss in Schleswig-Holstein festgestellt: Von 66.221 gesammelten Unterschriften wurden 60.443 als gültig anerkannt, womit nicht die erforderliche Anzahl von 80.000 erreicht wurde.

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Bei den 5.778 ungültigen Listen handelt es sich zum großen Teil um doppelte oder ohne Unterschrift. Bei den anderen nicht anerkannten Unterschriften sind es nicht in SH gemeldete oder keine deutsche Staatsbürgerschaft (größtenteils aus Kiel). Auch wenn Bedenken gegen die Auszählung erhoben wurde, es war klar, dass das gewünschte Ergebnis nicht erreicht wurde. Ob das Volksbegehren zustande kommt, muss letztendlich der schleswig-holsteinische Landtag beschließen.
Von den Vertrauenspersonen des Volksbegehrens war zu dem Termin „Beschwerde wegen der Behinderung des Volksbegehrens zum Schutz des Wassers“ eingereicht worden.

Bei der Durchführung des Volksbegehrens gab es zu Beginn erhebliche Probleme z. B. bei den Plakatierungsgenehmigungen. Erst eine Klage vor dem Verfassungsgericht Schleswig gegen die Stadt Kiel brachte Erfolg und einen eindeutigen Erlass dazu, dass über die ganze Zeit der Unterschriftensammlung auch plakatiert werden darf. Auch bei der öffentlichen Auslegung der Unterschriftenlisten und Hinweis auf die Sammelstellen in den Ämtern gab es Probleme. Nur in wenigen Ämtern wurde über amtliche Mitteilungen auf die Sammelstellen und die Inhalte des Volksbegehrens hingewiesen.

Der Landesabstimmungsleiter befand dazu, dass allen Mängeln in den Gemeinden nachgegangen worden sei, dass die Mängel kurzfristig behoben wurden und mit Erlassen informiert wurde. Allerdings sei Werbung für das Volksbegehren in den Ämtern nicht erlaubt gewesen und es wurde unterbunden. Es seien keine weiteren Probleme festgestellt worden und am 20.8.2019 wurde auf die Rechtslage hingewiesen. Nach Meinung des Ausschussvorsitzenden gibt es keine rechtliche Veranlassung das gesamte Verfahren zu überprüfen.
Spannend war allerdings die Stellungnahme, die sich der Landesabstimmungsleiter an dem Termin erlaubt hatte.

„Alleinige Aufgabe des Landesabstimmungsausschusses ist es, die Zahl der Stimmen festzustellen. Nach Rückmeldung von Teilnehmern hat der Landesabstimmungsleiter unsere Vorwürfe der Behinderung des Volksbegehrens als unerheblich dargestellt und uns andererseits massive Verstöße bei der Unterschriftensammlung vorgeworfen. Zudem soll er auch das Urteil des Verwaltungsgerichts kritisiert haben, das uns die Plakatierung für den gesamten Zeitraum des Volksbegehrens zugestanden hat. Für die Beurteilung von Verstößen ist jedoch nicht der Landesabstimmungsleiter zuständig, sondern nur der Landtag. Eine Kritik an einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht ihm jedenfalls nicht zu. Hier hat er sein Amt wohl erheblich missbraucht“, so die Vertrauensperson des Volksbegehrens Reinhard Knof.
Ebenfalls nicht eingegangen wurde auf die politische Einflussnahme seitens der Parteien und der Landesregierung.
Die wesentlichen Gründe für das Nichterreichen der nötigen Unterschriften liegen meines Erachten auf der politischen Seite.

  • CDU, FDP und insbesondere die Grünen griffen mit Falschmeldungen ein, indem sie behaupteten, die Landesregierung sei gegen Fracking und die Ziele des Volksbegehrens seien bereits umgesetzt. Insbesondere die Grünen Mitglieder, wie auch Umweltverbände wurden damit irritiert, um sie von dem Volksbegehren abzuhalten.
  • Nachdem die erfolgreiche Volksinitiative vom 18.5.2019 im Landtag nicht umgesetzt wurde, blieb nichts anderes übrig, als mit dem Volksbegehren weiterzumachen, was der Landtag dann am 19.6.2019 bestätigte. Es war also nicht viel Zeit ein neues Bündnis zu organisieren.
  • Im November war es ein großer Erfolg des Volksbegehrens, dass der Landtag den Wasserrechtlichen Teil des Volksbegehrens ins Landeswassergesetz übernommen hat. Für die Aktiven des Volksbegehrens war es aber doch ein erheblicher Schlag. Die Motivation weiterzumachen, bezog sich jetzt vor allem auf den 2. Teil des Volksbegehrens bezüglich der fehlenden Transparenz und der Geheimhaltung bei geplanten Ölförderungen und deren schädliche Auswirkung auf die öffentliche Wasserversorgung. Hier dürfen wir gespannt sein, ob es seitens der Landesregierung noch eine Gesetzesänderung dazu geben wird, weil sie ja nach Beschluss des Landesverfassungsgerichtes keine Entscheidungskompetenz für ein Fracking-Verbot hat. Die Grünen hatten angekündigt ein Gesetz beschließen, wonach „Naturschutzbelange“ statt öffentliche Belange die Herausgabe von Informationen ermöglichen soll.
  • Ein grundlegendes demokratisches Problem ist meines Erachtens das Volksbegehren selber. Während für eine Volksinitiative nur 20.000 Unterschriften innerhalb eines Jahres gesammelt werden müssen, sind beim Volksbegehren 80.000 Unterschriften in nur 6 Monaten nötig. Dies ist selbst bei professioneller Organisation kaum möglich und erfordert einen hohen finanziellen und professionellen Einsatz. Allein die Plakatkosten und 120.000 Unterschriftslisten für die Ämter landesweit sind erheblich. Ohne die vielen Menschen, denen das Thema Wasser als wichtigstes Lebensmittel so sehr am Herzen lag, wäre es nicht möglich gewesen, in so kurzer Zeit und über Winter 66.000 Unterschriften zu sammeln.
  • Auch die fehlende demokratische Möglichkeit diese Abstimmung auch über das Internet zu erledigen, hat gefehlt. Andererseits war es eine außerordentlich gute Erfahrung mit allen Menschen über unsere Lebensgrundlage ins Gespräch zu kommen. Das wird uns hoffentlich bei zukünftig anstehenden Themen, wie möglicherweise CO2-Speicherung, Nitratbelastung, Ölförderung und Fracking behilflich sein, gemeinsam aktiv zu werden.

Uwe Stahl (Bündnis Kielwasser)

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