Fracking

 

Infografik-konventionelle-Erdgasgewinnung-und-Fracking_by_Niko_Martin

 

Toxisches Fracking in konventionellen Lagerstätten

Am 4. Juli 2014 schrieben Bundeswirtschaftsminister Gabriel und Bundesumweltministerin Dr. Hendricks einen Brief an alle „Liebe Genossinnen, liebe Genossen“ der SPD: Fracking löse in Teilen der Bevölkerung große Besorgnis aus. „Der Schutz der Gesundheit und der Schutz des Trinkwassers haben absolute Priorität. Klar ist: Wir können derzeit beim Fracking in Schiefer- und Kohleflözgestein mangels eigener nationaler Erfahrungswerte die Auswirkungen noch nicht abschätzen“. Dennoch solle Fracking im Schiefer- und Kohleflözgestein unterhalb von dreitausend Metern unter gewissen Einschränkungen erlaubt sein. „Fracking-Vorhaben für sogenanntes ‚Tight-Gas‘ (‚konventionelles Fracking‘) bleiben grundsätzlich möglich. Solche Vorhaben werden seit den 1960er Jahren in Deutschland durchgeführt und dürfen schon heute und nach geltendem Berg- und Wasserrecht keine Gefahr für die Gesundheit und das Trinkwasser hervorrufen. Hier werden wir trotzdem noch zusätzliche Regelungen einführen, unter anderem darf die eingesetzte Frackflüssigkeit insgesamt maximal schwach wassergefährdend sein.“ Näheres siehe im beigefügten Brief der beiden SPD-MinisterInnen. – Daraus resultieren einige Fragen: Die Rede ist von Erdgas. Gilt dies auch für Erdöl?

Erdgas, Erdöl und feste Kerogene

Erdöl und Erdgas sind unterschiedliche Verwesungsstadien von Biomasse, die vor zehn bis 500 Millionen Jahren auf dem Grund von Schelfmeeren entstanden ist. Je nach Temperatur und herrschendem Gesteinsdruck bildeten sich langkettige, feste Kerogene. Ab 60 Grad Celsius werden diese aufgespalten in kurzkettigere gasförmige (vor allem Methan) und flüssige Kohlenwasserstoffe (Erdöl). Ein Teil bleibt jedoch im festen Zustand. Der hohe Druck in der Tiefe presst die festen Kerogene mit festen Erdölmuttergesteinen zusammen. Das flüssige Erdöl und Erdgas migriert, begünstigt durch seine im Vergleich zur Umgebung geringere Dichte, in durchlässigen Poren des Gesteins nach oben, bis es auf undurchlässige Schichten trifft, z.B. auf Salzsedimente. Hier bilden sich die Erdöllagerstätten und Gaskappen.  Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Erd%C3%B6l

Konventionelle und unkonventionelle Lagerstätten

In ursprünglicher Bedeutung sind konventionelle Lagerstätten jene, in denen das Erdöl bzw. Erdgas durch einfache Bohrung gefördert werden kann. In unkonventionellen Lagerstätten ist das Erdöl bzw. Erdgas durch Poren im Gestein eingeschlossen. Die Poren werden künstlich geöffnet. Sandstein ist poröser als Schiefergestein. Seit Ende der 1940er Jahre wird, von den USA ausgehend, zunächst im Sandstein gefrackt – im Kreis Plön zwischen den 1960er und 1990er Jahren. Danach wurde die Förderung wegen zu niedriger Weltmarktpreise für Erdöl aufgegeben. –  Fracking im Sandstein gilt als weniger umweltbelastend als Fracking im Schiefergestein – der Wasserverbrauch sei geringer und es bedürfe einer geringeren Zahl toxischer Substanzen. Sollte es irgendwann einmal möglich sein, ohne giftige Chemikalien auszukommen, dann in erster Linie in Sandsteinschichten. Wintershall, Exxon und Co. arbeiten seit längerem an einer Begriffs-Neudefinition: „konventionelles Fracking“ im Sandstein sei weniger riskant als „unkonventionelles Fracking“ im Schiefergestein – wie am Beispiel der Bakken-Formation in den USA zu zeigen ist, ist das genaue Gegenteil der Fall!

Ist Tight-Öl-Fracking im jurassischen Dogger rentabel?

Das Eckpunktepapier von Gabriel und Hendricks vom Juli 2014 prägt einen neuen Begriff: Tight-Gas. Es handelt sich um Kohlenwasserstoffe im festen Sandstein („tight“ = fest). Kritiker sprechen von Tight Oil als „unkonventionellem Öl“. Angesichts der Begriffsinflation könne „man recht schnell den Überblick verlieren. Dies führt dann sehr oft dazu, dass ‚Äpfel mit Birnen‘ verglichen werden“ (vgl. http://www.peak-oil.com/2012/04/unkonventionelles-oel-tight-oil/ ). – Der Ostholsteintrog, der sich halbmondförmig in 20-30 km Breite von Elmshorn über Kiel bis Flensburg erstreckt, enthält „jurassischen Dogger“, d.h. Erdöl im Posidonien-Schiefer, das sich im Erdzeitalter des Jura vor rund 280 Millionen Jahren gebildet hat. Um den Begriffswirrwarr zu komplettieren: Das Öl lagert in salzhaltigen Sandstein-Formationen.

Was bleibt übrig von der Behauptung, Tight-Gas- und Tight-Oil-Fracking sei weniger riskant als Fracking im Schiefergestein? –  In North Dakota liegt das Bakken-Ölfeld, eines der ergiebigsten Frackingfelder weltweit. In dreitausend Metern Teufe erstreckt sich in einer fünfzig Meter mächtigen Schicht der begehrte Ölsand. Pro Bohrloch und Tag werden stolze 22.260 Liter Erdöl gewonnen. Pro Sekunde also ein Viertelliter! Die Erschöpfung des Bohrlochs schreitet rasch voran: Nach einem Jahr hat sich die Fließgeschwindigkeit halbiert, es dauert also zwei Sekunden, um den Viertelliter Öl zu gewinnen. Nach vier Jahren sind es zehn Sekunden! Um die Förderquote für das gesamte Feld auf hohem Niveau zu halten, muss in immer kleineren Abständen neu gebohrt werden: Drill Baby, drill! Was zählt da noch der Wasserverbrauch – oft mehr als elf Millionen Liter pro Bohrung! Was geschieht mit dem Flowback – den gigantischen Wassermengen, die mit „natürlichen Stoffen des Erdinnern“ angereichert (Karbon, Quecksilber, Radionukleide) an die Oberfläche gespült werden? Das einzige, was die Ölkonzerne interessiert, sind die hohen Kosten, verursacht durch Stützmittel, welche die Fließkanäle im Sandstein offenhalten sollen: pro Bohrloch im Schnitt vier Millionen Dollar! Erdgas benötigt bei weitem keinen so großen Aufwand, daher ist Erdölfracking besonders teuer. Je höher die Umweltschutzauflagen, umso weniger rentabel die Förderung! Siehe: http://www.peak-oil.com/2013/02/der-tight-oil-boom-in-den-usa-ein-genauerer-blick/

Über die weiteren Gefährdungen durch Fracking siehe:
http://www.oekologische-plattform.de/wp-content/uploads/2014/06/65-kompr.pdf , S. 21-24.

Plön, 16.7.2014. Hansjürgen Schulze