Apr 012015
 

Bahn frei für Fracking

Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf zur »unkonventionellen« Gasförderung. Breiter gesellschaftlicher Widerstand

Von Dieter Schubert  
Aus: junge Welt, Ausgabe vom 02.04.2015, Seite 9 / Kapital & Arbeit
 
Umweltorganisationen protestierten am Mittwoch in Berlin vor dem
Umweltorganisationen protestierten am Mittwoch in Berlin vor dem Bundeskanzleramt gegen geplantes Frackinggesetz

Fracking wird auch in Deutschland möglich. Die sogenannte unkonventionelle Förderung von Schiefergas war in der Bundesrepublik bislang verboten. Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf, der die probeweise Anwendung des Verfahrens erlaubt und eine spätere großflächige Einführung nicht ausschließt. Trotz angeblich »strenger Auflagen«, birgt das Vorhaben reichlich politischen Zündstoff. Es kommt in einer Phase weltweiter Überproduktion von Mineralöl und Naturgas – und hat zudem das Potential, die deutsche »Energiewende« zu konterkarieren. Das Gesetzesvorhaben steht auch im Kontext des geplanten Freihandelsabkommens zwischen EU und USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP). Und es stößt auf erheblichen gesellschaftlichen Widerstand.

Protest kommt von Bürgern, aus Umweltverbänden, von Globalisierungsgegnern und politischen Parteien. Am Mittwoch demonstrierten Vertreter zahlreicher Organisationen vor dem Kanzleramt in Berlin mit einer symbolischen »Probebohrung« gegen die beabsichtigte Freigabe. »Fracking bedroht die Grundwasservorräte, die Böden und schadet dem Klima. Es ist eine Fossil-Technologie von gestern und konterkariert die Energiewende«, sagte Ann-Kathrin Schneider, Energieexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) laut einer Mitteilung. »In ganz Deutschland haben sich inzwischen mehr als 2.000 Gemeinden gegen Fracking in ihren Regionen ausgesprochen. Neben dem BUND wurde die Aktion unterstützt von Campact, Deutscher Naturschutzring, Naturschutzbund Deutschland (NABU), Umweltinstitut München, Robin Wood, PowerShift, Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten in der EKD (AGU).

Auch eine Reihe von Abgeordneten der Fraktionen von CDU und CSU drohen mit einer Ablehnung der Vorlage im Bundestag. »In dieser Form ist der Gesetzentwurf für zahlreiche Kolleginnen und Kollegen nicht zustimmungsfähig«, sagte der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeld der Nachrichtenagentur dpa. Notwendig sei eine Verschärfung. Die Gruppe der Kritiker umfasse bereits über 100 Parlamentarier der Unionsfraktion, betonte Mattfeld.

»Deutschland braucht ein Frackingverbot«, verlangte der Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter. Die Regierung habe sich für den Beschluss einen besonderen Tag ausgesucht, so der Politiker gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. »Vor 15 Jahren gab es den Startschuss für das Erneuerbare-Energien-Gesetz – heute Fracking zu beschließen, gleicht einer Rückwärtsrolle in der Energiepolitik.«

Ein »gesetzliches Frackingverbot ohne Ausnahmen« fordert ebenfalls die Partei Die Linke. Deren Bundestagsabgeordneter Hubertus Zdebel erklärte am Mittwoch, das Gesetz »ist eine Bedrohung für Mensch und Umwelt«.

Die Fördermethode ist nicht neu. Seit mehr als 50 Jahren wird beispielsweise in Deutschland das konventionelle Fracking angewandt. Bei diesem wird Gas aus sehr tiefliegenden Hohlräumen gefördert. Auch das will die Bundesregierung unter »strengen Umweltauflagen« weiter erlauben. Beim modernen Fracking wird mit Quarzsand und Chemikalien vermischtes Wasser unter hohem Druck in Schiefergestein gepresst. Durch bergmännische Querbohrungen wird das Gestein großflächig aufgebrochen, so dass aus feinen Rissen das dort lagernde Gas entweichen und über Bohrrohre abgeführt werden kann.

In den USA ist Fracking verantwortlich für einen fragwürdigen Boom bei der Öl- und Gasförderung. Mit erheblicher Unterstützung aus öffentlichen Mitteln hat sich die Branche dort explosionsartig ausgebreitet und das Land innerhalb weniger Jahre zum weltweit größten Produzenten fossiler Energieträger gemacht. Resultate sind eine rapide steigende Überproduktion. Der Weltmarktpreis für Erdöl hat sich seit Mitte 2014 halbiert. Produzenten mit hohen Gestehungskosten, wie beispielsweise die Förderer in der Nordsee, in Venezuela und in Russlands hohem Norden, können den Rohstoff kaum noch, oder nicht mehr, profitabel aus dem Boden holen. Auch die US-Firmen bekamen die Rechnung für das ungezügelte Wachstum präsentiert: So ist dpa zufolge die Zahl der dortigen Bohranlagen laut einer Statistik der Ölservicefirma Baker Hughes seit Mitte Oktober um fast 50 Prozent auf zuletzt 813 gesunken.

Dennoch gilt dort – wie offenbar auch in Kreisen der deutschen Wirtschaft – die Förderung per Fracking nicht als Auslauf- sondern Zukunftsmodell. Die Ölmultis haben den Globus auf potentielle Abbaugebiete gescannt, sind vielerorts fündig geworden, und wollen sich die zukünftigen Möglichkeiten nicht nehmen lassen. Die notwendige rechtliche Grundlage dafür sollen vor allem Freihandelsabkommen wie TTIP schaffen. Deshalb vermuten Globalisierungskritiker und Umweltschützer auch, dass die Bundesregierung in einer Art vorauseilendem Gehorsam hier den Boden für US-Konzerne bereiten will. Ist TTIP erst beschlossen, sind Bürger, Kommunen und Staaten faktisch entmündigt. Mit der Androhung milliardenschwerer Strafzahlungen gegenüber Staaten, die Prinzipien des »Investitionsschutzes« zuwiderhandeln, gibt das Abkommen dem Privatkapital einen Universalschlüssel in die Hand. »Die Regierung will Frackingbohrungen ermöglichen. Das ist eine Hintertür für Exxon und Co, mit der eine Hochrisikotechnologie salonfähig gemacht werden soll, die wir für die Energiewende gar nicht brauchen«, warnte Chris Methmann, von Campact am Dienstag. (Quellen: dpa, Reuters)

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