Jan 242016
 

Offener Brief der Bürgerinitiative „Hände weg von Schwedeneck“ an den Umweltminister des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Robert Habeck, die Erdölförderung an der Südseite der Eckernförder Bucht betreffend

Mehr Infos: www.haendewegvonschwedeneck.wordpress.com

24. Januar 2016

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Habeck,

die Bürgerinitiative „Hände weg von Schwedeneck“ wendet sich an Sie als den verantwortlichen Vertreter der obersten Bergbehörde des Landes Schleswig-Holstein. Es geht um die geplante Erdölförderung im Aufsuchungsgebiet Schwedeneck-See, ID 4472 Schwedeneck-See BF Dea. Wir betonen eingangs, dass es uns nicht ausschließlich um Fracking geht, sondern um jede Art von Ölförderung, also auch um die Förderung mit sogenannten konventionellen Verfahren.

Das Schreiben Ihres Ministeriums vom 17.10.2012 an das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) führt im Einzelnen aus, dass der Antrag der RWE Dea AG auf Bewilligung Schwedeneck-See zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen drei Bereiche europäischer Schutzgebiete berührt, die an der Südküste der Eckernförder Bucht liegen; einer von ihnen dient im Besonderen dem Schutz der Schweinswale, einer auch aufgrund europäischer Übereinkommen geschützten Tierart. Ferner macht Ihr Ministerium geltend ein auf der gesamten Küstenlänge verlaufendes Geotop mit gesetzlich geschützten Biotopen und dem küstenparallelen Streifen eines Landschaftsschutzgebiets sowie im Bereich des Küstensaumes und im anschließenden Wald- und Niederungskomplex eine Vielzahl gesetzlich geschützter Biotope. Angesichts der zu erwartenden Beeinträchtigungen schließt das Gutachten: „Aufgrund der vorstehenden Ausführungen komme ich zu dem Schluss, dass Interessen des Natur- und Artenschutzes das beantragte Vorhaben im gesamten Feld ausschließen.“

Der trotzdem ergangene Bewilligungsbescheid des LBEG an die RWE Dea AG vom 13.03.2013 weist darauf hin, dass die Bewilligung ein Rechtstitel sei; tatsächliche Aufsuchungs- und Gewinnungshandlungen, wie Bohrungen, seien nicht Gegenstand der Bewilligung. Außerdem macht er darauf aufmerksam, dass erhebliche naturschutzfachliche Bedenken geltend gemacht worden seien; deshalb sei eine mögliche Genehmigungsfähigkeit entsprechender Anträge ungewiss und in einem nachfolgenden Betriebsplan-Zulassungsverfahren vertieft zu prüfen. Laut einer Mitteilung des Ministeriums an das LBEG vom 05.03.2013 hat „der Minister … inzwischen folgenden Genehmigungen zugestimmt… Bewilligung Schwedeneck-See“. Daraus geht hervor, dass der Bescheid zum Feld Schwedeneck-See über Ihren Schreibtisch lief und Sie die Bewilligung haben genehmigen lassen trotz überwiegender öffentlicher Interessen im gesamten Feld, auf die selbst in Ihrem Haus hingewiesen wurde.

Dieser widersprüchliche Vorgang erstaunt uns. Und er beunruhigt uns, zumal die Dea in einer Weise tätig ist, als ob sie sichere Aussicht auf die Genehmigung erst noch zu stellender Betriebsplananträge habe. Ob sie glaubt, die ihr mitgeteilten naturschutzfachlichen Bedenken in ihren Betriebsplananträgen widerlegen oder umgehen zu können? Unser Argwohn wird auch dadurch genährt, dass das Restvorkommen, um das es der Dea angeblich nur geht, so gering ist, dass sich die Einrichtung einer neuen Bohrstation und der notwendigen Infrastruktur, wie vor allem der Pipeline nach Gettorf und des Verladebahnhofs, niemals lohnen würde. Geht es der Dea vielleicht in erster Linie um die ölreiche Schieferschicht unter dem Restbestand und ist das Restvorkommen nur ein Vorwand, um in diesem Gebiet die Förderung mittels Fracking aufnehmen zu können – wobei sie sich Unterstützung für die dann erforderliche Genehmigung durch CETA und TTIP erhofft? Eine Genehmigung der Förderung fossiler Brennstoffe widerspräche überdies diametral der von der Bundesregierung angestrebten Energiewende und den Beschlüssen der internationalen Gemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz.

Vor dem Hintergrund derartiger Überlegungen möchten wir hier weitere Gesichtspunkte, die der Berücksichtigung wert sind und uns eine Genehmigung auszuschließen scheinen, geltend machen. Diese Gesichtspunkte treten zu den naturschutzfachlichen Bedenken hinzu und umfassen den ökologischen und den ökonomischen Bereich. Die Kombination dieser drei Bereiche ist für Schwedeneck spezifisch, da es europäische Natur- und Artenschutzgebiete mit der besonderen geologischen Situation der Steilküste und einer wirtschaftlichen Basis im Tourismus verbindet. Für einzelne dieser Gesichtspunkte verweisen wir auf die ausführlichen sachlichen und juristischen Ausführungen in dem Schreiben des Amtes Geltinger Bucht an das LBEG vom 12.01.2016, das auch Ihnen vorliegt.

Im ökologischen Bereich handelt es sich vor allem um die Gefährdung des Grund-, Oberflächen- und Trinkwassers durch Chemikalien und radioaktive Substanzen, die bereits bei der konventionellen Ölförderung, vollends aber beim Fracking anfallen, ferner um die unvermeidliche Grundwasserverschmutzung durch unterirdisch verpresste Abwässer und um die Absenkung des Grundwasserspiegels. Hier ist im Besonderen zu prüfen, inwieweit die geplante Ölförderung, aber auch die voraussichtlich mit der Ölförderung geplante Verpressung von Lagerstättenwasser, gegen die Europäische Wasserrichtlinie verstoßen und die Gewinnung von Trinkwasser in einem weiten Gebiet, insbesondere aus dem Kieler Trog, gefährden. Gerade im Bereich des Wasserschutzes hat das Land Schleswig-Holstein einen Gestaltungsspielraum; wir wünschen, dass es diesen Gestaltungsspielraum in Zusammenarbeit mit den Wasserbeschaffungsverbänden für seine Gesetzgebung nutzt.

Durch das mögliche Aufsteigen großer Mengen von Salzwasser droht die dauerhafte Zerstörung landwirtschaftlicher Flächen, Wiesen und Waldstücke; das hat im Fall von Schwedeneck eine besondere Brisanz durch die 35 Altbohrlöcher, über deren Sicherung nichts bekannt ist. Es besteht die Gefahr von Erdbeben. Sie können zu irreversiblen Schäden an dem europäischen Naturschutzgebiet der Steilküste infolge deren bekannter Instabilität und zur Beschädigung von Immobilien führen. Dazu kommen die Verunreinigung der Luft, auch mit giftigen und krebserregenden Stoffen, und die Gefahren durch Lecks an der Pipeline nach Gettorf oder Felm und durch Tanklastzüge, die mit Giftstoffen beladen sind.

Im ökonomischen Bereich ist die wirtschaftliche Grundlage der Region bedroht. Die Gemeinde Schwedeneck lebt vom Tourismus und hat hier in den vergangenen Jahren hohe materielle und ideelle Investitionen getätigt, die sich nun zu rentieren beginnen. Aber wer wird noch in einem Industriegebiet Urlaub machen wollen, in dem es nach Erdöl und Chemikalien stinkt, in dem die Luft durch giftige Stoffe verunreinigt und ständig vom Lärm der Bohrstation und des Schwerlastverkehrs durchdrungen ist? Die Bewohner des Gebiets werden nicht nur diesen Belästigungen, sondern vor allem auch einer schleichenden Enteignung durch den massiven Wertverlust von Grundstücken und Immobilien ausgesetzt sein. Schließlich liegen in dem Gebiet vier von Ihrem Ministerium geförderte Biobetriebe, denen gleichzeitig durch die Folgen der Ölförderung die Existenzgrundlage entzogen würde.

Am Ende der Ölreserven und der Ölförderung wird eine Industriewüste stehen. Dem kurzfristigen Profit einer Privatfirma wird der nachhaltige Schutz der Natur und das überwiegende Interesse der Öffentlichkeit geopfert. Die Dea wird den Gewinn eingestrichen haben und verschwinden; sie wird eine ökologisch und ökonomisch zerstörte Natur und Landschaft hinterlassen, ohne für die von ihr verursachten Schäden aufzukommen. Die Dea wird diese Schäden kleinzureden trachten. Diese Schäden werden nicht vom Verursacher, sondern von den ohnehin Geschädigten, den Gemeinden und den einzelnen Grundstücks- und Immobilieneigentümern, zu tragen sein.

In den letzten Jahren sind aufgrund der Aktivitäten zahlreicher Bürgerinitiativen und Umweltverbände neue Erkenntnisse über die massiven Schäden durch die bisherige Erdöl- und Erdgasförderung auch in Deutschland gewonnen worden. In Niedersachsen mehren sich inzwischen die Berichte von gehäuften Krebserkrankungen im Umfeld der Fördereinrichtungen der Erdgas- und Erdölindustrie. Bezeichnend ist auch der schwere Unfall vom 01.04.2015 im Rahmen der Erdölförderung in Albanien durch eine kanadische Firma. Derartige Unfälle sind in Schleswig-Holstein ebenfalls zu erwarten, wenn im Gebiet der zahlreichen Altbohrungen erneut Öl gefördert werden sollte.

Aus diesen Gründen halten wir es für selbstverständlich, dass Sie als Umweltminister weitere Genehmigungen versagen und die erteilten zurückziehen. Denn hier steht die Zerstörung der Südseite der Eckernförder Bucht auf unabsehbare Zeit zur Disposition. Deshalb fordern wir Sie dringend dazu auf, die Ihnen auferlegte Verantwortung wahrzunehmen und diesen Albtraum abzuwenden.

Mit freundlichen Grüßen

im Namen der Bürgerinitiative „Hände weg von Schwedeneck“

Ulrich Siegele

Prof. Dr. Ulrich Siegele Holunderweg 20 24229 Schwedeneck

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